Der ungesteuerte Zweitspracherwerb (des Deutschen) stand bereits in verschiedenen Studien im Mittelpunkt. Dennoch wurde Dialekt–Standard-Variation in Input und Output als eine Konsequenz des besonderen soziolinguistischen Kontexts weitgehend vernachlässigt. Das vorliegende Projekt stellt ungesteuerten Spracherwerb im Deutschschweizer Kontext in den Vordergrund und untersucht die Frage, wie Dialekt und Standard in lernersprachlichen Systemen interagieren.
Das Korpus der Untersuchung besteht aus transkribierter mündlicher Sprachproduktion in Interviews, elizitierten Daten einer Übersetzungsaufgabe und metalinguistischen Beurteilungen von erwachsenen Migrant(inn)en im Schweizer Mittelland. Ihr Spracherwerbsprozess ist wesentlich von alltäglichem Kontakt mit dem Dialekt und, in einem gewissen Ausmaß, mit gesprochener (und geschriebener) Hochsprache geprägt. Die Sprachverwendung der teilnehmenden Personen wird mit Fokus auf den Gebrauch von dialektalen und standardsprachlichen Elementen sowie auf bestimmte sprachliche Konstruktionen, die sich in Dialekt und Standard deutlich unterscheiden, analysiert; die Ergebnisse werden durch die elizitierten Daten abgestützt. Des Weiteren wird genauer betrachtet, welche unterschiedlichen Einstellungen zu den Varietäten und Erfahrungen mit Dialekt und Standard die Zweitsprachsprecher(innen) in ihrem Spracherwerb und -gebrauch beeinflussen.
Die kognitiv und soziolinguistisch ausgerichtete Analyse der Daten soll aufzeigen, wie die Lernenden Variation im Input wahrnehmen und selbst Variation produzieren. Das Projekt verfolgt damit das Ziel, zu einem umfassenderen Verständnis von erwachsenem Zweitspracherwerb und Zweitsprachgebrauch, besonders im Hinblick auf dialektale und soziolinguistische Variation, beizutragen.