In einer Zeit, in der das Lehren und Lernen der französischen Sprache an den kaufmännischen Schulen in der Schweiz erneut zur Diskussion steht, ist es von grundlegender Bedeutung, die Entwicklung des Stellenwerts und der Rolle von Sprachen als schulische Disziplin, als Arbeitsinstrument und als Gegenstand des Diskurses im Kontext der Berufsbildung zu hinterfragen und zu verstehen. Wir nehmen eine historische Perspektive ein, da der historische Blick auf aktuelle Fragen es ermöglicht, die Ursprünge von Phänomenen und die sie bestimmenden Faktoren besser zu verstehen.
Eine explorative Studie (2020-2021), die sich auf den Französischunterricht in Luzern an der Wende zum 20. Jahrhundert konzentriert, bildet den Ausgangspunkt. Damals erlebte die Welt eine beispiellose Welle der Industrialisierung und Internationalisierung, der Schweizer Bundesstaat befand sich im Aufbau und Handelsschulen wurden gegründet. In Luzern als Ort des Zusammentreffens von Menschen und Sprachen entwickelten sich Handel, Tourismus und der Dienstleistungssektor, für die eine kaufmännische Berufsausbildung eingerichtet wurde.
Mittels einer soziolinguistischen und historiographischen Untersuchung sollen die damaligen Dispositive des Französischunterrichts (d.h. Lehrpläne, Lehrmittel, Evaluations- und Erfolgskriterien) an zwei Luzerner Handelsschulen analysiert werden. Sie spiegeln Repräsentationen und Einstellungen zum Französischen im Kontext politischer und gesellschaftlicher Mehrsprachigkeit wider. Im Projekt werden die dem Französischen zugewiesenen Rollen und Werte und die dem Sprachunterricht und dem Erlernen von Sprachen zugrundeliegenden Ideologien beleuchtet, wobei die Sozial- und Wirtschaftspolitik der Kantone und des Bundes berücksichtigt wird.
Ziel dieser explorativen Studie ist es, die Grundlage für eine breiter angelegte historiographische Untersuchung zur Stellung der Fremdsprachen in der schweizerischen Berufsbildung zu schaffen.